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 Fungibilität

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Ist zwischen dem "Ertrag aus dem Unternehmen" und dem "Ertrag aus einer Staatsanleihe" Äquivalenz gegeben (d.h. sind diese Betragsgrößen der Art nach in hohem Maße "ähnlich"), so entspricht der Wert des Unternehmens dem Marktpreis einer Staatsanleihe, wenn beide Erträge betragsmäßig identisch sind. Ein wichtiger Unterschied zwischen einer börsenfähigen Staatsanleihe und einem an der Börse nicht notiertem Unternehmen besteht darin, dass die Staatsanleihe in hohem Maße fungibel, hingegen die Anteile bzw. das Eigentum an einem Unternehmen nicht in solchem Ausmaße fungibel sind.

Genau genommen handelt es sich um einen Zuschlag für - gegenüber einer Staatsanleihe - "mangelnde" bzw. "geringere" Fungibilität. Da der Ausdruck "Fungiblitätszuschlag" aber in der Bewertungspraxis eingeführt ist, wird im Folgenden dieser Begriff weiter verwendet. Teilweise verbreitet ist für den Begriff "Fungibilitätszuschlag" auch die synonyme Bezeichnung "Mobilitätszuschlag", z.T. auch: "Immobilitätszuschlag".

"Gleichheit" liegt bei "Unternehmen" und "Staatsanleihe" offensichtlich nicht vor. Gerade in Bezug auf Fungibilität liegt in hohem Maße Unähnlichkeit vor. Es gilt: Mit zunehmender Verschiedenartigkeit zwischen Unternehmen und Staatsanleihe wird eine hierauf beruhende Unternehmensbewertung spekulativ bzw. vergrößern sich die Bandbreiten, innerhalb derer Nachvollziehbarkeit für Dritte und mutmaßliche Richtigkeit des Bewertungsergebnisses gegeben ist.

Hoch-fungibles Eigentum hat aber - ceteris paribus - einen höheren Wert als Eigentum, für das zwecks Versilberung ein relevanter M&A-Markt existent sein muß und zudem auf diesem Markt ein Käufer für das Bewertungsobjekt erst gefunden werden muß. Um die eingangs geforderte Äquivalenz zu erreichen, ist daher im Rahmen der nutzenorientierten Unternehmensbewertung ein besonderer (wertmindernder) Zuschlag zum Basiszins erforderlich. 

Der Fungibilitätszuschlag ist in der Literatur nicht unumstritten; eine Reihe von Autoren bezweifeln sogar die Berechtigung für einen solchen Zuschlag bzw. erfassen diesen Aspekt im Rahmen des Risikozuschlages. 
In den USA werden hierfür im Rahmen der Unternehmensbewertung bzw. im M&A-Bereich statt "Zuschläge zum Basiszins" Abschläge vom (Basis-) Unternehmenswert (Discount for lack of marketability) bis zu 35 % bis 40 % unmittelbar vorgenommen. Helbling spricht von einem Zuschlag zum Basiszinssatz für erschwerte Verkäuflichkeit in Höhe von 1 % bis 3 %.
Auch steuerlich kann die mangelnde Fungibilität eine Rolle spielen: Nach dem BFH-Urteil vom 9.03.1994 (HdUBew, Teil 4, S. 6) ist der gemeine Wert einer börsenmäßig nicht notierten Stammaktie grundsätzlich vom Börsenkurs der börsenfähigen Vorzugsaktie desselben Unternehmens abzuleiten; der unterschiedlichen Aussattung der Stammaktien gegenüber den Vorzugsaktien ist nach Maßgabe der einzelnen werterhöhenden oder wertmindernden Ausstattungsmerkmale durch Zu- und Abschläge Rechnung zu tragen. Im genannten Urteil ist aber ausgeführt: 

"Auch soweit die Klägerin geltend macht, dass es einem Stammaktionär aufgrund der Veräußerungsbeschränkungen des Aktienbindungsvertrags und des Vorerwerbsrechts der anderen Familienaktionäre zum Vermögenssteuerkurswert nicht ohne weiteres möglich sei, den unter Renditegesichtspunkten ermittelten "theoretischen" Veräußerungspreis auch tatsächlich zu erzielen, so dass der mangelnden Fungibiliät der Stammaktie durch einen pauschalen Abschlag von rund 25 % Rechnung getragen werden müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen." 

Begründung: Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG müssen persönliche Verhältnisse außer Betracht bleiben, die genannten Beschränkungen könnten die Gesellschafter selbst wieder beseitigen und die vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen dienten dem Schutz der Gesellschaft.

Im Folgenden werden zunächst die untere und obere Spanne des Fungibilitätszuschlages bestimmt. Danach wird eine Unterteilung dieser Spannweite über qualitative Merkmale vorgenommen, die die Ableitung eines Fungibilitätszuschlages in einer konkreten Bewertungssituation für Dritte nachvollziehbar ermöglicht.

Marktdaten zur unmittelbaren Ableitung eines Fungibilitätszuschlages (im Folgenden: f) gibt es nicht. Wie aber der Vergleich mit Inflationsländern zeigt, besteht eine hohe Korrelation zwischen Fungibilitätszuschlag und Basiszinssatz, d.h. der Fungibilitätszuschlag kann mathematisch als Funktion des Basiszinssatzes und weiterer Einflußgrößen interpretiert werden.
Die untere Grenze ist der Fall einer extrem hohen Fungibilität; diese liegt vor bei börsennotierten Anteilen, insb. beim Handel mit Staatsanleihen; wenn aber Börsenkurse für Unternehmen bzw. Anteile von Unternehmen festgestellt werden, erübrigt sich insoweit eine Bewertung. Werden z.B. der Wert von nicht notierten Stammaktien aus den Preisen für Vorzugsaktien abgeleitet, so ist zwar von einer eingeschränkten Fungibilität auszugehen, die aber dann marktmäßig nur als gering einzustufen sein wird, wenn auf leichte Weise die Börsenfähigkeit der Stammaktie erreicht werden kann. Bei IPO`s ist ebenfalls im Hinblick auf die kurz bevor stehende Börsennotierung nur von einem äußerst geringen Fungibilitätszuschlag auszugehen.

Die obere Grenze liegt, was empirische Studien sowie die Analyse der Literatur und Rechtsprechung zeigen, bei der Hälfte des Basiszinssatzes. Die obere Grenze ist anzunehmen,

(1) wenn die alsbaldige Weiterveräußerung des Bewertungsobjektes dringlich ist und
(2) wenn es sich einseitig um einen extremen Käufermarktes, d.h. um einen schlecht funktionierenden M&A-Markt handelt.
Ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer späteren Weiterveräußerung des Bewertungsobjektes gering (z.B. bei Fusionen gibt es für die aufgehende Gesellschaft künftig keinen Veräußerungsbedarf), entfällt ein Fungibilitätszuschlag. Bei einem Verkäufermarkt (z.B. bei vielen Freiberuflerpraxen, Stromversorgungsunternehmen, Unternehmen der Gen- und Informationstechnologie) ist daher ein niedriger Fungibilitätszuschlag anzunehmen.

Bei nutzenorientierten Bewertungsverfahren dominiert eindeutig der Basiszinssatz (b); erst danach folgt der Risikozuschlag, dann der Funbilitätszuschlag. Über die einzelnen Jahre und einzelnen Ländern und Regionen hinweg wird dem Aspekt "Fungibilität" in unterschiedlichem Maße Bedeutung zugemessen. Diesem Aspekt gilt es, durch Marktdaten zu untermauern, so dass der Bruchteil vom Basiszinssatz (hier: 0,5) ggf. anzupassen ist.

Aus Vorstehendem folgt: 0 < f < 0,5 x b. Die konkrete Höhe des Fungibilitätszuschlag ist somit innerhalb der festgelegten Spannweite von den vorstehenden zwei Einflußfaktoren abhängig. Die Einschätzung der Dringlichkeit hat nach Maßgabe des Bewertungsanlasses (Kauf/Verkauf, Zugewinnausgleich, Fusion usw.) sowie nach dem Verschuldungsgrad des Bewertungsobjektes zu erfolgen. Die Marktbedingungen schwanken im Zeitablauf; auf die nachfolgenden Tabellen wird verwiesen. In typisierter Form kann bezüglich der Art und des Umfanges des Fungibilitätszuschlages vereinfachend von folgender Entscheidungsmatrix ausgegangen werden, wobei in diesem Beispiel von einem maximalen Fungibilitätszuschlag von 50 % eines Basiszinssatzes von 8 % und damit von einer Spannweite von 0 % bis 4 % ausgegangen wird):

Dringlichkeit -->
Marktbedingungen v
sehr
gering
gering mittel =
Regelfall
hoch sehr
hoch
extremer Verkäufermarkt 0,0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 %
eher Verkäufermarkt 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 %
ausgeglichen 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 %
eher Käufermarkt 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 %
extremer Käufermarkt 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 % 4,0 %