INFO

 Inflation

ZURÜCK


Der Geldentwertungsabschlag (auch als "Inflationsabschlag" bezeichnet) dient der Adjustierung des Basiszinssatzes, um im Rahmen nutzenorientierter Bewertungsverfahren die erforderliche Äquivalenz zwischen Ertrag aus dem Unternehmen und Ertrag aus einer Staatsanleihe herzustellen. Ist diese Äquivalenz gegeben und der Unternehmensertrag betragsmäßig gleich dem (hiernach adjustierten) Zinsertrag, entspricht der "Wert des Unternehmens" dem "Marktpreis der Staatsanleihe".

Der "Wachstumsabschlag" bezieht sich auf die Einschätzung der Marktteilnehmern auf künftig erzielbare branchenmäßige reale Wachstumsraten; der Geldentwertungsabschlag bezieht sich hingegen auf den Schutz vor dem Risiko einer Geldentwertung, ist also auf nominelle Größen ausgerichtet. Beispielsweise statuiert das Österreichische Institut der Wirtschaftstreuhänder in KFS/BW1:

"Insoweit ein Unternehmen in der Lage ist, die Geldentwertung durch Anpassung seiner nominellen Erfolge an den geänderten Geldwert auszugleichen, ist bei der Ermittlung des Zinssatzes, der für die Diskontierung der Zukunftserfolge verwendet wird, ein Abschlag vom Kapitalmarktzinsfuß vorzunehmen".

In der Rechtsprechung werden die Begriffe uneinheitlich verwendet und die Berechtigung solcher Abschläge unterschiedlich beurteilt. Das Bayrische Oberste Landgericht (vgl. HdUBew, Teil 4, 19.10.1995, S. 4 ff., s.a. DB 1995, 2590-2593) verwendet den Begriff "Geldentwertungsabschlag" bzw. synonym den Begriff "Inflationsrisiko"; hiernach soll der Geldentwertungsabschlag

"dem Aktionär, der ausscheidet, einen Ausgleich dafür bieten, dass sich die Geldentwertung bei Anlage in festverzinslichen Wertpapieren oder öffentlichen Anleihen, an deren Rendite sich der Basiszins ausrichtet, regelmäßig stärker auswirkt als bei einer Beteiligung an einem Unternehmen; dieses besitzt zumeist Sachwerte und hat zudem die Möglichkeit, Preiserhöhungen weitgehend an die Kunden weiterzugeben."

Das Gericht nennt Geldentwertungsabschläge in der Rechtsprechung zwischen 1 % und 3 % (a.a.O., S. 4). Nach einem Beschluß des LG Stuttgart ist hingegen ein "Inflationsabschlag nicht angebracht" (vgl. HdUBew, Teil 4, 28.06.1993, S. 1 f., s.a. AG 1994, 136-137).

Die Unternehmen bieten aber nur in unterschiedlichem Maße, d.h. eingeschränkt, "Schutz vor Geldentwertung". Aber nur in Höhe des Schutzes vor einer künftigen Inflation ist der Ansatz eines (werterhöhenden) Geldentwertungsabschlages zum Basiszins gerechtfertigt. Bietet im Extremfall ein Unternehmen keinen Schutz vor der Inflation oder besteht keine Inflationsgefahr, entfällt der Ansatz eines Geldentwertungsabschlages. Somit ist die untere Grenze des Geldentwertungsabschlages, was aber nur selten der Fall sein dürfte, 0 %. Ein Unternehmen vermag dem (hypothetischem) Käufer aus zwei Gründen gegenüber dem Käufer einer Staatsanleihe partiell oder vollständig Schutz gegenüber den nachteiligen Folgen einer Inflation zu bieten:

  1. mittels einer Anlagestrategie: Das Unternehmen besitzt z.B.
    a) Sachwerte, die "inflationssicher" sind (z.B. Immobilien, Aktien),
    b) Geldanlagen, die kurzfristiger Natur sind und/oder 
    c) börsenfähige Kapitalanlagen.
  2. mittels einer Überwälzungsstrategie: Das Unternehmen hat infolge der Marktlage und Marktstellung die Möglichkeit, Inflationsnachteile, die sich auf der Kostenseite ergeben, über Preiserhöhungen an die Marktteilnehmer zu überwälzen.

Die Überwälzungsstrategie kann von verschiedenen Faktoren beeinflusst sein, insbesondere ob z.B. eine Oligopolstruktur (Tankstellen), ob starke Marken (Tabakwaren) oder eine Patentabsicherung besteht, ob es sich um Branchen mit stark kollegialer Ausrichtung ("Gütegemeinschaften", Kartelle, Akzeptanz überregional gültiger Preisverzeichnisse) handelt oder - andererseits - starker Wettbewerb besteht oder Einzelfertigung aufgrund von Einzelausschreibungen dominiert. Zu bedenken ist ferner, ob diese Überwälzung

a) nur partiell (z.B. infolge scharfem Wettbewerbs) oder
b) inflationsproportional - dies wird regelmäßig unterstellt - oder
c) überkompensatorisch erfolgen kann.

Eine überkompensatorische Überwälzung finden sich häufig bei Preisanhebungen von Brauereien.

Um für Dritte nachvollziehbar den Geldentwertungsabschlag bestimmen zu können, werden die untere und obere Spanne eines Geldentwertungsabschlages bestimmt, wobei eine Anknüpfung an Inflationsraten im Hinblick auf die offensichtliche hohe Korrelation zwischen Geldentwertungsabschlag und Inflationsrate evident ist; danach wird eine Unterteilung dieser Spannweite über qualitative Merkmale vorgenommen, die die Zuordnung eines Geldentwertungsabschlages in einer konkreten Bewertungssituation ermöglicht. 

Die untere Grenze ist der Fall eines inflationsloses Zustandes (g = 0). Die obere Grenze des Geldentwertungsabschlages ist durch die Höhe der jährlichen Geldentwertungsrate (G) bestimmt. Hieraus folgt: 0 < g < G.
In der Rechtsprechung werden für das Geldentwertungsrisiko, welches die Inhaber von Staatsanleihen infolge der Nominalverzinsung und der Langfristigkeit dieser Papiere haben, Geldentwertungsabschläge von 1 % bis 3 % gemacht, vgl. BayObLG, HdUBew, Teil 4, 19.10.95, 4. Noch im Beschluß des LG Stuttgart v. 28.06.1993 wurde die Ansicht vertreten, ein Inflationssabschlag sei nicht angebracht, da eine Realbewertung nicht möglich sei, die Praxis diesen Abschlag nicht vornehme, steuerlich derartige Abschläge nicht "anerkannt" werden, eine sichere Prognose der Inflationsrate nicht möglich und ein Geldentwertungsabschlag eine einseitige Risikobelastung zu Gunsten der Eigner sei.

Im Rahmen einer nutzenorientierten Bewertung ist die Klärung folgender Fragen zur konkreten Bemessung eines Geldentwertungsabschlages erforderlich:

a) Wie hoch ist die relevante reale Geldentwertungsrate zum Bewertungsstichtag? 
b) Inwieweit bietet das Bewertungsobjekt Schutz vor Geldentwertung?

Bei Anwendung der Formel der ewigen Rente, bei der der zum Bewertungsstichtag durchschnittlich zu erwartende Zukunftsertrag zugrunde gelegt wird, wäre dies die durchschnittliche künftige (gewichtete) Inflationsrate, die letztlich im Extremfall dazu führen würde, dass der Kapitalisierungszins dem Realzins entspricht. Bei Verwendung des Substitutionsmodells ist ausschließlich auf aktuelle Marktdaten zum Bewertungszeitpunkt abzustellen; somit ist Ausgangspunkt der Adjustierung die im Bewertungszeitpunkt aktuelle reale Geldentwertungsrate.

"Die" Inflationsrate gibt es nicht. Die Rechtsprechung orientiert sich vielfach an den Preisindex für die Gesamtlebenshaltung aller privaten Haushalte und berücksichtigt insb. die Entwicklung dieser durchschnittlichen Preisindizes in der Vergangenheit. Es gibt eine Reihe von verschiedenen Inflationsraten, die regelmäßig durch amtliche Behörden festgestellt werden. In typisierter Form kann bezüglich der Art und des Umfanges des Schutzes vor Inflation (im nachfolgenden Beispiel sind 4 % als maßgebliche Geldentwertungsrate unterstellt) vereinfachend etwa von folgender Entscheidungsmatrix ausgegangen werden:

Überwälzungsstrategie -->
Anlagestrategie v
nicht
möglich

teilweise
möglich

mittel gut
möglich
optimal
möglich
nicht vorhanden 0 % 1 % 2 % 3 % 4 %
kaum vorhanden 1 % 2 % 3 % 4 % 4 %
vorhanden 2 % 3 % 4 % 4 % 4 %
gut vorhanden 3 % 4 % 4 % 4 % 4 %
optimal vorhanden 4 % 4 % 4 % 4 % 4 %