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 Marktnähe

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"Objektivität" im Sinne der Ableitung eines für jedermann gültigen Unternehmenswertes gibt es nicht. Um dem Anspruch der Marktteilnehmer und der Rechtsprechung auf "Objektivität" gerecht zu werden, ist der Begriff "objektiv" zu interpretieren im Sinne von "marktnah". Dieser Ansatz entspricht auch der international gebräuchlichen Definition des Begriffes "Unternehmenswert" als der

"Preis, zu dem das Eigentum an einem Unternehmen eines Verkaufswilligen in das Eigentum eines Kaufwilligen unter der Voraussetzung übergehen würde, dass beide Parteien die relevanten Tatsachen des Kaufgegenstandes und den relevanten Markt in angemessenem Umfang kennen und nicht unter Kauf- bzw. Verkaufszwang stehen".

Hiernach ist der "Wert" eine hypothetische Größe ("würde"). Ein "Wert" ist berechenbar, wenn Preise (i.S.v. Marktpreise) für gleiche oder für ähnliche Güter dem Bewerter bekannt sind. Zur Berechnung von Unternehmenswerten ist daher mindestens für ein ähnliches Gut (Unternehmen, Einzelwirtschaftsgüter, Staatsanleihe) die Kenntnis des aktuellen Marktpreises erforderlich. Das hier angesprochene "ähnliche Gut" wird auch als Substitut bzw. Vergleichsobjekt bezeichnet.
Die "Marktnähe" eines ermittelten Unternehmenswertes erhöht sich,

  • je mehr Preise von Substituten dem Bewerter bekannt sind,
  • je aktueller diese Preise in Bezug auf den Bewertungsstichtag sind,
  • je ähnlicher das Substitut (bzw. die Substitute) zum Bewertungsobjekt ist (sind),
  • je geringer der Adjustierungsbedarf ist im Hinblick auf die Vergleichbarkeit zur Verringerung der Unähnlichkeit ist.
Je nach Art des Substitutes lassen sich unterschiedliche Bewertungsverfahren ableiten (Substitutionsmodell):
  • Ist das Substitut ein (dem Bewertungsobjekt) vergleichbares Unternehmen bzw. sind die Substitute vergleichbare Unternehmen, für das jeweils ein Kaufpreis bekannt ist, so liegt ein "vergleichsorientiertes Bewertungsverfahren" vor (Beispiele: Recent Acquisitions Method, KGV-Verfahren).
  • Ist das Substitut die Gesamtheit der Marktpreise der vorhandenen Einzelwirtschaftsgüter des Bewertungsobjektes, so liegt ein "sachorientiertes Bewertungsverfahren" vor (Beispiel: Buchwertverfahren, Substanzwertverfahren).
  • Ist das Substitut eine Staatsanleihe (oder eine ähnliche langfristige Kapitalanlage bzw. Kapitalmarktverpflichtung), so liegt ein nutzenorientiertes "Bewertungsverfahren" vor (Beispiel: Ertragswertverfahren, DCF-Verfahren).
Im Allgemeinen gilt: Ist das Substitut ein vergleichbares Unternehmen, so liegt regelmäßig eine hohe Ähnlichkeit zum Unternehmen als Bewertungsobjekt, geringer Adjustierungsbedarf und damit eine große Marktnähe vor. Ist hingegen das Substitut eine Staatsanleihe, so liegt regelmäßig eine geringe Ähnlichkeit zum Unternehmen als Bewertungsobjekt, hoher Adjustierungsbedarf und damit eine geringe Marktnähe vor.

Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit zwischen Bewertungs- und Vergleichsobjekt(e) erfolgt der Rückschluß des (gesuchten) Wertes nach Maßgabe von (bekannten) Preisen mittels Verhältniszahlen unter Verwendung aussagekräftiger, charakteristischer Bezugsgrößen (Basisgrößen), die jeweils möglichst identisch, zumindest äquivalent sein müssen.

Bei Anwendung "vergleichsorientierter" Bewertungsverfahren können derartige Bezugsgrößen sein: Anzahl Hektoliter (Brauereien), Höhe der Stromproduktion (Stromversorger), Anzahl der Mitarbeiter (Zeitarbeitsunternehmen), Anzahl der Kunden oder Abonnenten (Verlage, Telefongesellschaften), aber auch umsatz- und ergebnisorientierte Kennzahlen, wobei bei letzteren Bezugsgrößen die Vergleichbarkeit zunehmend eingeschränkt ist.

Ist bei Anwendung "nutzenorientierter" Bewertungsverfahren Äquivalenz zwischen den beiden Bezugsgrößen Unternehmensertrag und Zinsertrag mittels Adjustierung im Hinblick auf Wachstum, Schutz vor Inflation, Risiko und Fungibilität gegeben und der Unternehmensertrag betragsmäßig gleich dem (hiernach adjustierten) Zinsertrag, entspricht der "Wert des Unternehmens" dem "Marktpreis der Staatsanleihe".

Ein "phasenorientiertes" Bewertungsverfahren ist abzulehnen, da es dem Substitutionsmodell, welches strikt gegenwartsorientiert ist, widerspricht: die Ableitung von Werten aus künftigen Unternehmenserträgen, künftigen Zinsen und künftigen Zinszuschläge und Zinsabschläge verlässt die objektive Basis und führt nicht zu marktnahen Unternehmenswerten.