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 Publikationen: Umsatzverfahren II

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Unternehmenswert: Theoretische Fundierung des Umsatzverfahrens

Fundstelle: DStR 1996, 1701 - 1707

Jährlich werden in Deutschland einige 10.000 Unternehmensbewertungen nach Maßgabe des Umsatzverfahrens durchgeführt, speziell anlässlich der Bewertung freiberuflicher Praxen. Trotzdem ist das Umsatzverfahren in der Theorie nicht anerkannt, in der Literatur nur spärlich erwähnt und in der Judikatur umstritten - und dennoch wird es in der Praxis in vielfältigen Ausprägungen angewendet, meist zur Zufriedenheit und Überzeugung aller Beteiligten. Das Umsatzverfahren erfüllt damit eine wichtige Anforderung an eine gute Unternehmensbewertung. Seine Anwendung bewirkt Rechtsfrieden.

Multiplikatoren bzw. Erfahrungssätze können auch nicht als Reziprokwert des Kapitalisierungszinsfußes aufgefaßt werden. Dass hier eine Fehlinterpretation des Umsatzverfahrens vorliegt, ist offenkundig: Das Umsatzverfahren führt nur zu einem Segment des Unternehmens, nämlich dem Goodwill; der Ertragswert hat zum Ziel, den Gesamtwert eines Unternehmens, also inkl. Goodwill, zu ermitteln. Überdies macht es einen großen Unterschied, ob sich das Spiel der freien Marktkräfte auf umsatzbezogene Erfahrungssätze oder auf Zinssätze für langfristige Kapitalanlagen bezieht.

Bewertungstechnisch basiert das Umsatzverfahren auf einer relativ einfachen Konstruktion: Zur Ermittlung des Gesamt-Unternehmenswertes wird zusätzlich zur Goodwillermittlung auf eine einzelwirtschaftsgut-orientierte Bewertungskonzeption zurückgegriffen. Im einzelnen:

  1. Es wird - als relativ sichere Bemessungsgrundlage - der (nachfolgend noch näher zu definierende) "Umsatz" ermittelt.
  2. Auf diese Bemessungsgrundlage wird ein Erfahrungssatz auf der Basis der Relation Kaufpreis / Umsatz angewendet.
  3. Es erfolgen Adjustierungen wegen Besonderheiten der jeweiligen Praxis und der jeweiligen örtlichen Marktsituation durch Zu- und Abschläge auf den umsatzbezogenen Erfahrungssatz.
  4. Der Rest des Vermögens und der Verbindlichkeiten wird gesondert, z.B. mit einen nutzen- oder einzelwirtschaftsgut-orientierten Bewertungsansatz bewertet.

Beim Umsatzverfahren ist eine Segmentierung des zu bewertenden Unternehmens in griffige Bewertungseinheiten erforderlich. Seine Anwendung macht aber nur dann einen Sinn, wenn das Segment "Goodwill" in dem jeweiligen Wirtschaftszweig bei der Bewertung von Unternehmen von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist. Hierbei determinieren im wesentlichen externe (marktbezogene) Daten die Wertermittlung und stellen den Gegensatz zu den ertragswertbasierten Verfahren dar, die auf einer internen Fundamentalanalyse aufsetzen. In Fällen der Erstellung von Bewertungsgutachten hat der Bewerter die Grundlagen für die Ermittlung des "übertragbaren Umsatzes" und die Ableitung des konkret anzuwendenen Umsatzmultiplikators aus dem "umsatzbezogenen Erfahrungssatz" des relevanten Wirtschaftszweiges im lokalen Markt für Dritte transparent bzw. nachvollziehbar zu machen.